Rodeo auf RädernTour Wetterkreuzhütte, Legerle, Zupalsee, drei Freunde und eine Taxifahrt, die es in sich hat Voller Wucht federt der Sitz zurück. Um ein Haar wären wir mit dem Kopf gegen das Autodach geschlagen. An der nächsten Bodenwelle ergeht es uns kaum besser: Der Fahrer des kleinen Busses mit Allradantrieb bremst vor den tiefen Furchen, die quer über den Fahrweg der Regen auswäscht, kaum ab. Den herben Stoßdämpfertest müssen die Fahrgäste wohl oder übel mitmachen, auch wenn alle Bandscheiben jaulen. Die Tour mit dem Bergtaxi von Virgen zur Wetterkreuzhütte hat im ganzen Virgental ihren Ruf weg: Tortur pur! Zugegeben: Wenn wenig Touristen unterwegs sind, nimmt sich Josef Tschoner, der die Wetterkreuz- und Zupalseehütte betreibt, auch mal die Zeit, ganz gemächlich um die engen Kehren im Wald zu kriechen. Meistens jedoch muss er sich sputen, dann warten im Tal schon die nächsten Kunden, die sich den öden Anstieg zur Wetterkreuzhütte sparen möchten. Die schüttelt der unebene Allrad-Parcours dann ebenfalls gnadenlos durch. Rodeo auf vier Rädern. Oben wärmt die Sonne die in Unordnung geratenen Rückenwirbel. Und der Rundblick an der Hütte streichelt die Seele. Ein breiter Kaminholzstapel wirkt wie eine Brüstung, Dahinter fällt der Hang ab ins Tal, und dort leuchtet Matrei in der Sonne. Deutlich erkenne ich die Gondelbahn, die aufs 2150 m hohe Goldried hinaufführt. Das ist ein sonnenverwöhntes Plateau mit herrlicher Aussicht ins Virgental, auf die Schobergruppe und auf den Großglockner. Der höchste Berg Österreichs ist auch von meinem Standplatz an der Wetterkreuzhütte gut zu sehen. Den Gipfel umhüllt allerdings eine nicht allzu üppige Wolke, die dem Berg fast angeschweißt scheint: Fast immer hängt sie dort. Nur an ganz extrem klaren Tagen kann man Glück haben und den weißen Gipfel genau betrachten. Mir steht der Sinn nach Kaffee und einem kleinen Sonnenbad. Meine beiden
Begleiter muss ich nicht lange überreden. Paul nutzt die Pause um zu filmen. Die Kamera
hat er sinnigerweise auf dem Boden des Rucksacks verstaut. Er sucht und flucht und zerrt
an Sachen herum. Bald sieht die Holzbank, auf der wir sitzen, aus wie nach einem
mehrtägigen Campingaufenthalt. Socken, Jacke, Fleece-Shirt, Müsliriegel, Sonnenbrille
der Rucksack liegt schlaff daneben. Paul ginge jeder noch so spannende Vortrag
über Packergonomie zwischen den Ohren hindurch. Peter trägt seine sieben Sachen immer am rechten Fleck. Ein Griff, und
schon hält er die Tube mit der Sonnencreme in der Hand. Einreib-Orgie am Morgen so
ist das mit Peter. Zehn Minuten später auf der "Hellen Höhe" hätte das
Paul-Pack-Spiel sich beinahe wiederholt. Doch dieses Mal verweigert Peter die Rast. Fünf
Minuten Panoramaschau im Stehen, mehr nicht. Peter spielt den "Trenker" in
unserem Trio, wir akzeptieren seine langjährige Bergerfahrung. Der wohltuende Panoramablick begleitet uns, bis am Fuß des Legerle (2527
m) der Weg sich teilt. Hier sehen wir deutlich den Steig, der sich wilden Serpentinen bis
zum Kreuz hinaufzieht. Außen um den Hang herum führt mit fast keinen Höhenunterschieden
der bequeme Weg zum Zupalsee. "Imke, mach voran!" Mich faszinieren die Farben. Rot, grün, gelb, grau, braun. Kleine Moose schmiegen sich ans Gestein, winzige Brechwurze gedeihen auf einem Hauch von Erde in Ritzen und Abbrüchen. Dazwischen zeugt ein wenig Rost vom Mineralgehalt im Stein. Oben ein herrlicher Rundblick über Melspitze, Zupalkogel (Griften), Speikboden und Donnerstein vor uns und unten auf die Hütte (2342 m) am grünen Zupalsee. Der sanft ins Tal abfallende Hang ist im Juni mit Alpenrosen übersät. Im Osten verschwindet der Großglocknergipfel unter immer dichteren Wolken. Gegenüber die Venedigergruppe hat an Leuchtkraft verloren: Der Himmel hat sich nun ganz zugezogen, doch die Wolken hängen hoch. Nach Regen sieht es glücklicherweise nicht aus. Wir machen uns auf den Weg über die Felsköpfe. Es ist ein Grat, aber leicht begehbar. Nur wenn der Weg über schräg abfallende Steine führt, wird mir ein wenig mulmig aber solche Hürden nehme ich mittlerweile ohne Angst. Ive lost my thrill on Legerle hill" singe ich übermütig. Später, als wir am Westhang im Zickzack zur Zupalseehütte absteigen,
finde ich ein atemberaubendes Tempo und bleibe dicht hinter Peter, der wie meistens
vorangeht. Willst du überholen?" fragt er mich ein wenig
spöttisch. Ich verneine aber speichere heimlich eines dieser schönen kleinen
Erfolgserlebnisse ab, die für mich zum Bergurlaub gehören wie die Berge selbst: Ich
hätte überholen können! Ehe wir in Richtung Wetterkreuzhütte aufbrechen, ist noch einmal Wartezeit angesagt. Natürlich: Paul packt! Das dauert, weil er wegen der Umzieherei zwischendurch seine Siebensachen an mehreren Stellen verstreut hat. Hastig läuft er hin und her, während Peter und ich feixen. Sogar unser Trenker" kann der Packorgie nun Komik abgewinnen. Der Rückweg wird "easy": Wir nehmen den Weg, der außen am
Legerle herumführt. Nur der kleine Anstieg zur Hellen Höhe kommt uns hart an - wir haben
einfach keine Lust mehr auf "bergauf"! |
Blick von der Wetterkreuzhütte
Wetterkreuzhütte, 2108 m Blick über den Holzstapel an der Wetterkreuzhütte
Legerle-Gipfel mit Steinmandl Legerle-Aufstieg Blick vom Legerle zur Zupalseehütte
Zupalseehütte, 2342 m
Weg außen am Legerle-Hang |