Feuerwerk der Lachsalven

Der 13-jährige Ozzy hat es wahrlich nicht leicht: Er ist schüchtern, trägt rosa Unterhosen, schwärmt vergeblich für die schöne Samantha, mag keine Schimpfwörter und wird von seinen Klassenkameraden als Schlaffi verspottet. Als wäre das nicht schon alles schrecklich genug, taucht auch noch sein bislang unbekannter Erzeuger auf: Roddy Young, der Lead-Sänger einer Hard-Rock-Band, der sich plötzlich seiner Verantwortung als Vater erinnert. Unterschiedlicher können Vater und Sohn gar nicht sein: Der zurückhaltende, stille Ozzy, der seinen Kontrabass und klassische Musik liebt und der verrückte Vater, der sich schon bei seinem ersten Besuch als randalierender Prolet präsentiert, eine Art tätowierte Vogelscheuche mit Strohkopf, die um Mitternacht das Mietshaus aufweckt und betrunken auf Vordächer springt. Aber es kommt noch viel schlimmer. Der Vater hat der Mutter einen größeren Geldbetrag versprochen, als Entschädigung für nie gezahlten Unterhalt. Den erhält sie aber nur, wenn sie Ozzy erlaubt, den Vater auf einer Tournee zu begleiten. Armer Ozzy, natürlich muss er mit, alleine schon wegen der „bestechenden Argumente“, wie die Mutter sagt. 
Und das ist nur der Anfang der höchst turbulenten und amüsanten Geschichte „Daddy ganz cool“. Langeweile kommt da an keiner Stelle auf. Das vor Witz sprühende, mit Situationskomik gespickte, urkomische Buch lebt von den gegensätzlichen Typen, von den gegensätzlichen Welten. Wo diese sich begegnen, ist ein Feuerwerk an Lachsalven programmiert.

Domenica Luciani: Daddy ganz cool.
Arena Verlag, Würzburg, 272 Seiten, 12,90 Euro (ab 12)


Suche nach den Wurzeln

Doro führt die jungen Leser durch Amsterdam. Während ihr Vater sich in die Toskana aufmacht, um einen Weg für seine kranke Mutter zu finden, sucht Doro in Amsterdam, in der Heimat ihrer verstorbenen Mutter, ihre Wurzeln. Marie-Therese Schins ist eine genaue Beobachterin, die ihre Doro weit hinter die Kulissen schauen lässt. So bleibt ihr von der ersten bis zur letzten Seite spannendes Buch nicht beim Tulpen-Käse-Klischee oder der Grachtenidylle stehen. Schins zeichnet das Bild einer interessanten, aufregenden und verrückten, einer freizügigen und meistens toleranten Großstadt. Ein bunter Schmelztiegel unzähliger Sprachen, Nationen und Religionen mit den sich daraus ergebenden Konflikten. Dazu gehören der Drogentourismus, die hohe Kriminalität, das Rotlichtmilieu, die Hausbesetzerszene, die Obdachlosen- und die Abwasserproblematik. Was Doro vor allem zu schaffen macht, ist die unselige Geschichte der Besatzungszeit durch die Nationalsozialisten, die im Anne Frank Haus auf bedrückende Weise lebendig wird. Einerseits ist sie die Enkelin eines niederländischen Widerstandskämpfers, andererseits ist sie ein halber Mof (Schimpfwort für die Deutschen). Aber Doro ist auch ein Jahr älter geworden, reifer und so schafft sie es, ihre Gedanken zu ordnen und ihre Wurzeln zu finden, ein Prozess, der sich am Grab der Mutter vollendet. 

Marie-Therese Schins: Die allerverrückteste Stadt und ich: Doro in Amsterdam.
Peter Hammer Verlag, Wuppertal, 120 Seiten, 11 Euro (ab 13)


Abstieg in die Sucht

Um den Abstieg in die Drogensucht geht es in Jana Freys ergreifendem Buch „Höhenflug abwärts“. Basierend auf wahren Begebenheiten schildert die Autorin die Lebensgeschichte der 15-jährigen Marie, die auf Grund einer unglücklichen Liebe den Boden unter den Füßen verliert und ecstasysüchtig wird. Marie, das Mädchen aus gutem Hause, kapselt sich ab, entfernt sich immer weiter von ihren Freunden und ihrer Familie. Trost findet sie nur in ihrer neuen Clique, bei Malte, den sie zu lieben glaubt, wenn sie gemeinsam in die psychedelische Welt abtauchen. Doch das Glücksgefühl ist nur von kurzer Dauer, dafür nehmen die Horrortrips, die Flashbacks und das Gefühl komplett durchzudrehen zu. Jana Frey erzählt in ihrem Roman eindringlich, wie schnell der „Höhenflug“ abwärts gehen kann und wie schwierig es ist, trotz Therapie die Folgen des Drogenkonsums zu verarbeiten. Sie zeigt: Niederlagen können Jugendliche so stark verunsichern, dass auch wohl geordnete Familienverhältnisse nicht vor dem Abstieg schützen. So bleibt der Appell, junge Menschen in ihrem Selbstwertgefühl zu stärken, damit sie die kleinen und großen Stürme des Lebens meistern.

Jana Frey: Höhenflug abwärts: Ein Mädchen nimmt Drogen.
Loewe Verlag, Bindlach, 176 Seiten, 10 Euro (ab 13)


©imke habegger 2003