©Frankfurter Rundschau 2004 - Konzert am 8.4.2004 in Frankfurt/Main

Scheckheft-Pflege

Fast überraschend - aber eben nur fast: Eric Clapton in Frankfurt

Von Alexander Haase

Er hat einen dezenten Bart und trägt eine dezente Brille. Sein blaues Hemd passt dazu, selbst seine legobunte Gitarre. Eric Clapton scheint ein dezenter Mensch zu sein - und das mit Erfolg: Die Frankfurter Festhalle ist ausverkauft. Mehr als zehntausend Menschen sind gekommen, Clapton zu hören. Was mag er spielen, dezente Musik?

Im Vorprogramm hatten Robert Randolph und seine Band gerade noch hören lassen, dass Blues doch mehr ist als das studienratskompatible Lebensgefühlsurrogat, zu dem ihn jahrzehntelanger Missbrauch durch Menschen mit Lederweste und mehr oder weniger gepflegtem Schnauzbart gemacht hat; dass Blues sehr lebendig und aggressiv sein kann und nichts mit dem Begriff von Gemütlichkeit vieler seiner Fans zu tun hat, die so oft den Eindruck von Menschen vermitteln, die während einer Liebeserklärung Bratwurst kauen könnten. Rau geht es bei Randolph zu, heftig und laut.

Dann kommt Clapton und tritt erst einmal auf die Bremse: Seine Show eröffnet mit Let it rain, Breitwand-Rock, Mainstream, Durchschnitt. Hübsch verpackt mit Background-Sängerinnen, bunten Lichtern und der Routine von hunderttausend Jahren Erfahrung im Musikbusiness.

Auf der Bühne sieht es aus wie in einer Unterhaltungssendung am Samstagabend, und man versucht sich zu erinnern: So richtig einer der ganz Großen war Clapton dann ja doch nie, oder? Sicherlich: Legende, klar, Stichworte wie Bluesbreakers, Cream, Blind Faith, der Name "Slowhand" fallen da immer. Und in den sechziger Jahren war Clapton an einigen so genannten "wichtigen" Alben beteiligt. Und er ist auf einem Beatles-Album zu hören, was nicht sehr viele Musiker von sich behaupten können. Das war 1968, auf dem Weißen Album: Für seinen Freund George Harrison spielte er da Gitarre bei While my Guitar gently weeps.

Später, viel später, hat Clapton dann auch mal für Phil Collins Gitarre gespielt; vielleicht seine Art mit der Last der glanzvollen Vergangenheit umzugehen.

Dabei sind an diesem Abend sogar zwei Musiker aus dem Beatles-Umfeld in Frankfurt zu bewundern: Clapton hat Billy Preston mitgebracht, dessen Hammond-Orgel auch schon auf Let it be zu hören war. Zurückhaltend bedient er sein Instrument als Begleiter Claptons; hin und wieder spielt er - wie auch alle anderen Musiker der Band - ein kurzes Solo. Claptons Soli sind natürlich bedeutend länger. Wenn die anderen dran sind, zieht er sich aber immerhin dezent zurück und überlässt ihnen die Aufmerksamkeit.

Aber nicht nur seiner Band will Clapton Respekt zollen: Schon für sein neues Album hat er Lieder des Blues-Klassikers Robert Johnson eingespielt; und auch live in Frankfurt sind nun einige davon zu hören: Schlichte Songs, in denen eine gewisse Wildheit wohnt, die man selbst aus Claptons Interpretionen noch heraushören kann. Robert Johnson starb jung, nachdem ihn ein eifersüchtiger Nebenbuhler vergiftet hatte; Clapton flüstert und schleicht sich durch die Stücke, als müsste er auf die Hinterbliebenen Rücksicht nehmen.

Und doch gibt es immer wieder Momente, in denen man denkt, dass alle auf der Bühne anders könnten, wenn sie denn wollten. Oder dürften. Wenn Claptons Gitarre ein Lied lang viel zu stark verzerrt ist und er das auszukosten scheint; wenn etwa Preston sich seinem Solo gleichsam zu verweigern scheint und so für etwas Widerstand im zähen Fluss von Claptons großen Hits sorgt, die an diesem Abend natürlich alle dargeboten werden. Es bleiben Momente.

Als letztes Stück vor den Zugaben spielt Clapton wenig überraschend Layla. Der Song kann nichts dafür, aber unwillkürlich denkt man an Autowerbung und Scheckheftpflege und daran, dass, wenn es in der Festhalle an diesem Abend nicht so verteufelt laut gewesen wäre, bei all dieser Dezenz irgendwie kein verwertbarer Eindruck übrig geblieben wäre. Seitenanfang Alles so pastellfarben.

legobunte Gitarre