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Hannover/Verlagsgesellschaft Madsack 2004 - Konzert am 2.4.2004
in Hannover
Ein Herz aus Mississippi
Ist Clapton am Ende doch Gott? 12 000 Fans feiern den Blues
mit Eric Clapton in der Preussag-Arena
Von Matthias Halbig
All sein Musizieren ist die ewige Suche nach der "bluest note".
Eric Clapton, Brite mit einem Herz aus Mississippi, sucht sie an diesem
Abend in der Preussag-Arena wie an jedem anderen Ort, an dem er je auftrat.
Sucht sie in "Bell Bottom Blues" und "Wonderful tonight" und in den
Songs,
die die oft bettelarmen Blueskönige des amerikanischen Südens hinterlassen
hatten. Und es gibt viele Momente im Konzert, die einen anrühren, ausfüllen,
glücklich machen. Augenblicke, da man glauben möchte, er habe sie endlich
gefunden, diese tief im Musenreich verborgene "blauste Note", den
bewegendsten Ton der Welt.
Solo und Eskapade
Dahin ist allerdings Claptons Einsamkeit bei dieser Suche. Die Leute, die
ihn diesmal auf Tour begleiten, sind keine andächtigen Illuminatoren des
großen Namens, sie sind eine verschworene Band. Der Blues(rock) soll heute
brennen, und so ist Doyle Bramhall II, der zweite Gitarrist, von den ersten
Slide-Zaubereien bei "Let it rain" an 100-prozentig Herausforderer und null
Erfüllungsgehilfe. Das Zusammenspiel ist kongenial, die beiden Gitarren
feuern sich im Verlauf des Abends an zu Solo und Eskapade, sie wollen
einander singen und sliden hören, weinen und jubilieren, sie flüstern
zärtlich, bellen harsch, klagen unter der Bottleneck. Die großen Leinwände
zeigen viel Fingerarbeit.
Ein früher Höhepunkt ist "Got to get better in a little while", ein rares
Stück von Derek & the Dominoes mit viel Funk und Wah-Wah. Ein Jam hebt an
wie in den guten alten Zeiten.
An die souligen Background-Gesänge in Muddy Waters' "Hoochie Coochie Man"
muss man sich erst mal gewöhnen. Ins Ackern der beiden Griffbrett-Duellanten
fährt dann Billy Preston drein. Und die gurgelnde Hammond des Mannes, der
für die Beatles Keyboard spielte, reißt einen Zeitstrudel auf und wirft uns
zurück in die Tage von Blind Faith und der Rückwendung des Rock zum Blues,
als Tradition gegen Psychedelik focht.
Starke Stimme
Dann sind wir in den Juke-Joints der 30er Jahre, den Tanzschuppen der
Schwarzen, der Welt des Robert Johnson, Claptons Idol, dem er auf Platte
eher brav gehuldigt hat. Himmel und Hölle sind in Aufruhr in diesen uralten
Songs, Männer und Frauen lieben, betrügen, küssen, schlagen und verlassen
sich. Einsamkeit, Schmerz und Wehklage in "When you got a good friend" und
"Kind hearted woman blues". Live kommen die um ein Vielfaches fiebriger als
auf CD. Claptons einst schmale, fast schüchterne Stimme hat jetzt die nötige
Tiefe und Würze. Früher durchlitt Clapton den Blues zuvörderst übers
Instrument, jetzt hat er ihn auch in den Stimmbändern.
Auf Hits will er dennoch nicht ganz verzichten. Und zu den ersten Tönen
einer Mörderversion von "I shot the sheriff" geht ein Ruck durchs Volk,
später begeistern "Badge", "Cocaine" und "Layla", so frisch, als habe
Clapton sie eigens für diese Tour ersonnen oder geborgt. Als Bramhall
"Layla" aus seinem Instrument fließen lässt wie seit Duane Allmann kein Mann
neben Clapton mehr, hat man ihn vollends lieb gewonnen. Er legt vor, Clapton
setzt drauf. Wieder und wieder, Song um Song.
"Clapton is God" stand 1965 auf Londoner Stein gesprüht. Und obwohl es nur
eine einzige U-Bahn-Wand war, überlieferte sich dieses Graffito im
kollektiven Gedächtnis so, als sei die halbe Stadt damit bedeckt gewesen.
[Aha! Der Säzzer]
Das löste Diskussionen aus, "Blasphemie" riefen die einen, die anderen
hielten Gott seinem Wirken nach eher für einen Schlagzeuger. Nach all den
Jahren ist es nun aber wohl doch Clapton. Und bevor es wieder Licht wird in
der Arena, schenkt er seinen Fans noch einen Blick ins Rock 'n'
Roll-Paradies.
Das grummelnde Riff von "Sunshine of your love" setzt ein, Bassmann Nathan
East singt mit Clapton, und 12 000 wandeln in akustischem Sonnenschein,
bevor mit "Got my mojo working" dann die Party ausgerufen wird.
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