©Salzburger Nachrichten 2004 -
Konzert am 31.3.2004 in München
Gottes Werk, Erics Beitrag
Eine Wegkreuzung zwischen Gott und dem Teufel: Das ist der Blues.
Mancher verliert seine Seele, Eric Clapton hat sie sich zurückgeholt: Blues, ein
Leben. Live in München.
Von Ronald Escher
Clapton heißt eine kleine Bahnstation auf dem
Weg nach London. Hier hatte jemand, der anno 1965 die Worte "... is God"
ergänzen wollte, leichtes Spiel. Fast 40 Jahre ist es her, dass dieser
Spruch auftauchte: "Clapton is God." Damals war Eric Clapton 20 Jahre
alt und galt als der neue weiße Wunder-Gitarrist des Blues.
[Ich dachte immer, den Spruch "Clapton is God"
hätten zu allererst Fans an Londoner Fabrikhallen gesprüht oder gemalt...?
Der Säzzer]
Zu dieser Zeit war ein schwarzer Blues-Musiker gerade 27 Jahre tot.
Robert Johnson war an einem mit Strychnin vergifteten Whisky zugrunde gegangen, den ihm der Legende nach ein eifersüchtiger Wirt in
Mississippi bei einem Konzert auf die Bühne gestellt hatte - brutale
Rache an einem Schürzenjäger.
Eine andere Version besagt, der auf Grund seines unglaublich schnellen
und technisch ungewöhnlichen Spiels für musikalische Zeitgenossen
rätselhafte Blues-Gitarrist habe auf diese Art einen Pakt eingelöst -
einen Vertrag, den er eines Nachts an einer Wegkreuzung mit dem Teufel
geschlossen habe: Fingerfertigkeit gegen die Seele.
Robert Johnson wurde schon in jungen Jahren (er starb mit 27) zur
Legende - wie auch Eric Clapton. Beide lebten den "Rock 'n'
Roll-Lebensstil" in vollen Zügen, aber Eric schlug letztlich
an den "Crossroads" einen anderen Weg ein. Gerade noch. Er ist einer der
großen Überlebenden einer Zeit, deren Grundsatz lautete: "Live fast,
love hard, die young". Folgt man dem mittlerweile 59-jährigen einstigen
"Gitarrengott", so hat er es durch Robert Johnson geschafft - durch
seine tiefe Liebe zu dessen musikalischem Ausdruck, zum Blues, den man
oft "die Musik des Teufels" nannte.
Alles, was Johnson hinterließ, waren 29 Songs: Sie wurden Bahn brechend
für die Geschichte des Blues wie auch des Rock, und 14 dieser Klassiker
hat Eric Clapton für sein neues Album "Me And Mr. Johnson" (erschienen
bei Reprise/Warner) eingespielt. So, wie er sie empfindet - und wie ein
Übersetzer vermittelte er einige dieser nicht immer leicht zugänglichen Songs Mittwochabend dem begeisterten Publikum in der ausverkauften
Münchner Olympiahalle.
Clapton - begleitet von einer exzellenten Band mit dem ehemaligen
Beatles-Keyboarder Billy Preston - tastete sich langsam vor, mit einigen
Songs aus seiner Frühphase als Solo-Star: Eine Rolle, mit der er sich -
ähnlich wie der zwischen Schüchternheit und Exzentrik schwankende
Johnson - lange Zeit nicht hatte abfinden können. Heute ist erkennbar,
dass es eine Zeit war, in der Clapton seinen eigenen Blues erst finden
musste. Er widerlegte letztlich den Blues-Vater Leadbelly, der meinte: "Ein
Weißer kann nie den Blues spielen, weil er ihn nicht hat."
Clapton hat ihn erfahren und ausgedrückt: Vaterlos aufwachsen ("My
Fathers Eyes"), unerfüllte ("Layla") und erfüllte Liebe ("Wonderful
Tonight"), Verlust eines Kindes ("Tears In Heaven"), Drogen ("Cocaine").
Unglaublich, was Claptons Gitarre aus Muddy Waters altem "Hoochie
Coochie Man" hervorholte; mitreißend, wie Clapton einen Klassiker, Bob
Marleys "I Shot The Sheriff", wiederbelebte.
Ausdrucksform, die über Virtuosität hinausgeht. Und dennoch stockte dem
Publikum der Atem, als Eric den "Kind Hearted Woman Blues" von Robert
Johnson spielte: Wie sich in diesem getragenen Stück ein grandioser
Gitarrenlauf an den anderen reihte, wie die Töne aus tiefster Seele und
mit der Emotion des Autobiografischen aus dem Instrument perlten, zeigte
einmal mehr: Johnson ist zu Claptons zweiter Natur geworden. Wer diesen
Gitarristen bisher für einen rein technischen Virtuosen, einen
schöngeistigen Blues-Nostalgiker hielt, der musste "Slowhand" ein für
alle Mal Abbitte leisten. Zeit und Raum waren aufgehoben.
Im Gegensatz zu anderen Rock-Superstars der ersten Generation scheint
auch für Claptons Stimme der Zeitfaktor keine Rolle zu spielen: Erst
jetzt hat sie ihre volle Ausprägung erfahren, eine Spätlese – wie guter
Wein.
Natürlich verwöhnte Clapton die Fans auch mit seinen Klassikern, wie
"Badge", "Layla" und "Sunshine Of Your Love". Aber letztlich blieb doch
die Essenz des Blues und die Erkenntnis, dass es selbst darin das
Prinzip Hoffnung zu geben scheint: Denn hier hat sich einer seine Seele
zurückgeholt.
|
|