Hauptsache, heiß!

Ohne Kaffee geht gar nichts

Sein Duft streichelt die Nase, seine Wirkung spornt den Geist zu Höhenflügen an. Über seinen Geschmack wird leidenschaftlich gestritten - aber heiß muss er sein. Kaffee, das Zaubergetränk aus den Küchen des Orients, kitzelt alle Sinne. Allah, der Gott der Muslime, soll seinen Propheten Mohammed mit Hilfe des Gebräus wachgeküsst und zu unglaublichem Tatendrang ermutigt haben. Wer daran zweifelt, muss zugeben: Den Samen der Coffea-Pflanze zu rösten, zu zerkleinern und seine Substanzen in Wasser zu lösen, war eine göttliche Idee. Natürlich wissen wir dank Friedlieb Ferdinand Runge seit 1820 um den Wirkstoff Koffein, seine Wirkung und Nebenwirkung, aber - Hand aufs Herz - der Genuss bleibt ein Gottesgeschenk.

Papst Klemens VIII. (1536-1605) jedenfalls muss es geahnt haben. Was sonst hätte einen Pontifex Maximus bewogen, seine Zunge mit dem nachtschwarzen Höllentrank "ungläubiger" Moslems zu beleidigen?

Venedig war das Tor, durch das der Kaffee von Konstantinopel, dem heutigen Istanbul, ins Abendland strömte. Venezianische Kaufleute, äußert erfolgreich im Handel mit den Staaten der Levante, kreuzten wahrscheinlich um 1570 erstmals mit Kaffee an Bord übers östliche Mittelmeer. Weil bei allem Schwarzen auch der Teufel nicht weit ist, witterten italienische Priester in der undurchsichtigen Flüssigkeit ein satanisches Machwerk, an dem die Seele eines anständigen Christen unweigerlich Schaden nehmen müsse. Ernstlich besorgt, beschwatzten sie den Papst in Rom, den Bohnenaufguss ein für alle Mal zu verdammen.

Papst Klemens jedoch wollte kennenlernen, was er verbieten sollte. Aus der Tasse stieg ihm ein Duft in die Nase, der seine Sinne betörte: Da musste Seine Heiligkeit einfach mal probieren. Der Genuss verzauberte ihn vollends. Spontan entschied er, ein so köstliches Getränk nicht allein den Ungläubigen zu überlassen. Um den Teufel zu überlisten, gab der Papst dem Höllentrank seinen Segen - und bahnte der Bohne damit den Weg ins Abendland.

Mit den Kaffeehäusern, die im nahen Osten bereits im 15. Jahrhundert zu Plausch und Päuschen eingeladen haben sollen, entwickelte sich eine variantenreiche Kultur des Kaffeetrinkens. Ihre ausladensten Blüten trieb sie in der Berliner, Pariser und der römischen Bohème. Auch die Wiener bunkerten ihre Böhnchen, nachdem die abrückenden Türken ihnen 1683 den aromatischen Schatz gleich säckeweise dagelassen hatten.

"C-A-F-F-E-E, trink nicht so vie-hie-hiel Kaffee", sangen deutsche Schulkinder Anfang der sechziger Jahre im Chor. "Nicht für Kinder ist der Türkentrank, schwächt die Nerven, macht dich blass und krank. Sei doch kein Muselmann, der das nicht lassen kann." Warnungen vor Nervenmalaise, Magenleiden und Herzklabastern hat es zu allen Zeiten gegeben. Längst sind immer mildere Sorten auf dem Markt, mit halb so viel und ohne Koffein. Längst hat sich der Kaffee-Umschlag gleich nach dem Erdöl zu einem Weltmarktrenner entwickelt. Was den Zwischenhandel beglückt, nicht aber die kleinen Kaffeebauern und die Pflücker, die uns die Kapseln vom Coffea-Strauch puhlen.

Ob Kännchen, Capuccino, Espresso oder Café au lait, ob süß oder bitter - ohne den heißen Aufguss mögen die Deutschen nicht mehr leben. Durchschnittlich etwa 170 Liter im Jahr rinnen durch Jedermanns Kehle. Deutschland rangiert unter den Kaffee-Importeuren hinter den USA und Japan auf Platz drei. Wir sind dem säuselnden Fernseh-Kaffeemann ("Isch abe gar kein Auto, Signorina..."), der "Carlotta" und den anheimelnden Werbesongs verfallen, kaufen markenbewusst und danken der Dresdner Hausfrau Melitta Bentz noch heute für die geniale Erfindung des Filterpapiers.

Den Vogel schießen wieder einmal die Amerikaner ab: Seit dort fahrende Espresso-Bars und mit Nüssen, Vanille, Zimt und Likör aromatisierte Kaffees die öde "Tasse ohne Boden" (von der warmgehaltenen Brühe wird unentwegt nachgeschenkt) der Drive-In-Restaurants besiegt haben, steht die schwarze Bohne hoch im Kurs. So hoch, dass eingefleischte Coffee-Freaks sogar ein Auto verschmähen, wenn der Innenraumdesigner den Tassenhalter vergessen hat. Die neue (kaffeeliebende) Avantgarde der nordwestamerikanischen Stadt Seattle orientiert sich an Gütesiegeln eines US-Journals: Sie zeichnen nur Modelle mit stabilen und überschwappsicheren Halterungen für mehrere, unterschiedlich große Kaffeegefäße aus. Der bohnenbewusste Besitzer steuert dann das "Kaffeeklatsch-Auto" oder "Kaffeetrinkers Traumwagen".

Ganz so weit sind wir hier noch nicht - aber eines wissen wir genau: Ohne Kaffee wäre der Tag nur halb so schön - und nur im Tran zu ertragen!